Selbstbewusst kommt er bei unserem Besuch daher, der zehnjährige Kilian aus Langenbruck. Er weiß genau, was er will: Kilian zeigt uns die Hasen Hoppel und Bibi, die Schildkröten und seine selbstgestalteten Achterbahnen. Der Zehnjährige liebt die Fernseh-Sendung „The Voice of Germany“ und weiß jetzt schon, was er mal werden möchte: „Berühmt“, sagt er und lacht. Kilian erzählt von seinen Plänen, eine Band gründen zu wollen, sich selbst sieht er darin als Gitarrist.
Dieser Traum könnte allerdings ein Traum bleiben, denn Kilian leidet an der seltenen Krankheit Morbus Pompe. Seine geschätzte Lebenserwartung lag bei der Diagnosestellung bei 15 bis 20 Jahren. „Morbus Pompe zählt zu den Glykogenspeichererkrankungen – einer Gruppe sehr seltener angeborener und vererbbarer Stoffwechselerkrankungen“, erklärt Eva Molter, Ärztin bei ELISA Familiennachsorge. „Ursache der Erkrankung ist ein gestörter Abbau von Glykogen und eine daraus resultierende übermäßige Anhäufung des Glykogens in Organen, insbesondere in der Muskulatur, im Herz und in der Leber. Der Auf- und Abbau des Glykogens wird über Enzyme gesteuert. Dort liegt auch die Ursache der Erkrankung: Morbus Pompe liegt eine Störung bei der Bildung des Enzyms saure alpha-Gluksidase zugrunde. Die übermäßige Anreicherung von Glykogen in den Zellen führt zu Funktionsstörungen der betroffenen Organe.“
Kilian erhält die Diagnose Morbus Pompe, als er noch kein halbes Jahr alt ist. Seine Erkrankung macht eine lebenslange Enzym-Ersatztherapie notwendig. Bis heute bekommt der Zehnjährige jede Woche eine vierstündige Infusion, die seinem Körper das fehlende Enzym zuführt. Durch die Behandlung kann insbesondere die Herzfunktion, aber auch die körperliche Entwicklung betroffener Kinder deutlich gebessert werden.
Spurlos geht die Erkrankung dennoch nicht an Kilian vorbei. Um die Stolpergefahr durch die fortschreitende Muskelschwäche zu reduzieren, läuft er fast ausschließlich mit Orthesen. Morbus Pompe macht sich bei dem Zehnjährigen zusätzlich durch eine verwaschene Aussprache bemerkbar.
„Anfangs habe ich mich sehr schwergetan, zu akzeptieren, dass mein Kind an einer lebensverkürzenden Krankheit leidet“, erklärt Evi Schießl. „Vor lauter Angst, Kilian zu früh zu verlieren, habe ich versucht, so viele besondere Momente wie möglich zu schaffen. Dabei zogen die Momente viel schneller vorüber, genießen konnte ich sie nicht richtig. Erst seit kurzem akzeptiere ich Kilians Krankheit als Teil unseres Lebens und kann unsere gemeinsame Zeit dadurch viel mehr wertschätzen. Natürlich würden wir vieles, was seine Krankheit mit sich bringt, lieber nicht erleben wollen. Doch all das gehört zu seinem Leben und damit auch zu unserem dazu. Ich habe gelernt, dass es nichts bringt, sich gegen etwas zu wehren, was nicht besiegt werden kann“, so die 40-Jährige.
Kilian geht in die Johann-Nepomuk-von-Kurz-Schule in Ingolstadt und blüht dort auf. „Ich bin froh und dankbar, dass Kilian so eine schöne Schulzeit ermöglicht wird“, erklärt seine Mutter. „Die Nachmittage daheim sind für Kilian trotzdem häufig sehr einsam. Während sich seine Schwester oft mit Freunden trifft, spielt Kilian alleine in seinem Zimmer. Er freut sich dann, wenn ich mit ihm Voice of Germany spiele oder er seine Uroma besuchen darf.“
Ein Krankheitsfall in der Familie stellt die Schießls vor große Herausforderungen. „Ich war innerlich zerrissen: Ich wollte mich um meine schwerkranke Mutter kümmern, gleichzeitig wusste ich aber auch, dass meine Zeit mit Kilian begrenzt ist.“ In ihrer Not wendet sich Evi Schießl an ELISA Familiennachsorge. Iris Modl vom ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst organisiert schnell und unkompliziert Hilfe für die belastete Familie. „Unser Anliegen ist es, Familien, in denen ein Kind, Jugendlicher oder junger Erwachsener mit einer lebensbegrenzenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung lebt, Unterstützung anzubieten. Wir möchten dazu beitragen, die Lebensqualität innerhalb der Familien so lange wie möglich zu erhalten und zu fördern. Herzstück des Kinder- und Jugendhospizdienstes sind die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, unsere Familienbegleiter/innen.“ Fortan kommen mit Michaela Wulf und Simone Voggenreiter zwei Ehrenamtliche, um mit Kilian und seiner Schwester zu spielen oder der Mutter ein Ohr bzw. eine Schulter zum Anlehnen zu leihen. „Michaela und Simone schenken unserer Familie das Wertvollste, was sie haben: Zeit. Kilian freut sich jedes Mal riesig, wenn die Beiden kommen, um mit ihm zu spielen, mit ihm in den Klenzepark oder in die Eisdiele zu fahren, mit ihm und seinen Kuscheltieren Fußball spielen oder Karaoke singen. Ich kann gar nicht genug Danke sagen. Danke für diese unglaubliche Hilfe.“