Liebevoll und mit Tränen in den Augen schaut Nico Junghans auf sein Handy. Dort ist ein Foto zu sehen, das einen kleinen blonden Jungen vor dem geschmückten Weihnachtsbaum zeigt. Sein Sohn Max ist auf dem Foto zehn Monate alt und erlebt am 24. Dezember 2018 sein erstes Weihnachtsfest. Er ist ein fröhliches Kind, das fasziniert ist von der Weihnachtsdeko und den vielen Lichtern. „Damals war die Welt noch in Ordnung, es war ein schönes Weihnachtsfest“, erinnert sich Max Papa. „Max hat um Weihnachten rum die ersten vorsichtigen Schritte an den Möbeln entlang gemacht.“ Die Familie wohnt zu diesem Zeitpunkt noch in einer Wohnung in Gaimersheim. Weihnachten verbringen sie zusammen mit den Großeltern mütterlicherseits. Der Geschenkeberg unter dem Baum ist groß, Max ist das erste und einzige Enkelkind. Er freut sich riesig über den Trettraktor, den er geschenkt bekommt. Dieser Traktor begleitet Max auch, als die kleine Familie bald drauf nach Weichering umzieht. Fortan wohnen sie auf einem großen Hof mit Hühnern, Hasen und Katzen.

Freies Laufen gelingt nicht

Max hilft seinem Papa beim Holz machen, liebt den Gabelstapler, füttert die Katzen. Er spricht mittlerweile um die 50 Wörter, entwickelt sich motorisch gut. Nur das freihändige Laufen – das gelingt nicht. „Mit seinem Gehwagerl ist Max überall hingekommen“, erklärt Mutter Jeannine Wehran. „Nur ohne Gehwagerl ging es keinen Schritt voran.“ Den Eltern kommen erste Zweifel, sie fragen beim Kinderarzt nach. Der beschwichtigt, verweist darauf, dass manche Kinder schneller und manche Kinder langsamer in ihrer Entwicklung sind. Auch ein Kinderarztwechsel nach dem Umzug und eine zweite Meinung ändern nichts. Max würde schon irgendwann zum Laufen beginnen, hieß es immer wieder. Die Familie feiert im Februar 2020 Max zweiten Geburtstag, fährt im Sommer in den Urlaub. „Diese Zeit war sehr unbeschwert. Zu diesem Zeitpunkt konnte Max immer noch nicht ohne sein Gehwagerl laufen, aber wir haben uns auf die beschwichtigenden Worte vom Kinderarzt verlassen“, so die Eltern.

Große Ängste und Sorgen um Max

Als sich Max Zustand nach dem Sommerurlaub 2020 plötzlich rapide verschlechtert und er statt Fortschritten nur noch Rückschritte macht, sucht Jeannine Wehran mit ihrem Sohn das Sozialpädiatrische Zentrum in Neuburg auf. Sie lässt sich direkt vom SPZ aus in die Kinderklinik einweisen, kündigt den Ärzten dort an, dass sie erst wieder geht, wenn sie weiß, was ihrem Max fehlt. Als die Familie im September 2020 die Diagnose metachromatische Leukodystrophie erhält, ist die Erkrankung bei Max schon weit fortgeschritten. Die MLD ist eine erbliche Krankheit des Nervensystems, bei der aufgrund eines Stoffwechselfehlers die schützende Schicht der Nerven zerstört wird. „Seine Krankheit muss man sich wie Zahnschmerzen am ganzen Körper vorstellen“, erklärt Max Mutter. „Er hat geschrien vor Schmerzen. Er konnte nicht mehr laufen, nicht mehr sprechen und irgendwann auch nicht mehr schlucken. Dann kamen die Krampfanfälle. Und der Atemstillstand. Ich war mit meinen Nerven am Ende, denn ich hatte ständig Angst, dass er aufhört zu atmen.“ Drei Woche lang wird Max im Kinderpalliativzentrum München behandelt, dann geht es für Max und seine Eltern wieder nach Hause. Im Gepäck die schwerwiegende Frage, wie sie ihr Leben mit ihrem schwerkranken Kind alleine bewältigen sollen.

Die Kinderklinik in Neuburg verordnet der Familie sozialmedizinische Nachsorge und sorgt so dafür, dass sich die Wege von ELISA Familiennachsorge und der Familie kreuzen. Seit September 2020 hat die gemeinnützige Organisation Max und seine Eltern mit allem unterstützt, was die junge Familie gebraucht hat. Im Laufe der Zeit erhält Max fast das komplette ELISA-Paket: Also sozialmedizinische Nachsorge, Palliativversorgung und Seelsorge, später dann den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst und die ambulante Kinderkranken- und Intensivpflege. „Es ist toll, wie wir von Elisa betreut wurden – fachlich, aber auch fürs Herz. Es war immer jemand da, der uns unsere Fragen beantwortet hat, der gemeinsam mit uns um Hilfsmittel gekämpft hat, der uns zugehört und ernst genommen hat.“ Acht Krankenschwestern, zwei ehrenamtliche Familienbegleiterinnen und bei Bedarf das Palliativ-Team sind fortan an Max Seite. „Die Hospiz- und Pallativversorgung von ELISA verfolgt das Ziel, Familien so viel selbstbestimmte Zeit wie möglich zu ermöglichen sowie Schmerzfreiheit und eine höchstmögliche Lebensqualität zu bieten – idealerweise zuhause“, erklärt Nadine Dier.

So viel Normalität wie möglich

Die ehrenamtlichen Familienbegleiterinnen kommen regelmäßig, gehen anfangs noch viel mit Max spazieren, haben ein offenes Ohr für die Familie. Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit dekoriert Max Mutter liebevoll das Zuhause, backt zusammen mit den ehrenamtlichen Familienbegleiterinnen Plätzchen. Max wird immer eingebunden, darf den Teig fühlen, riechen, schmecken oder auch mit dem Mehl spielen.

Ein letztes Weihnachten

2022 kommt Max Familie einen Tag vor Heiligabend zurück aus dem Kinderhospiz. Während ihrer Abwesenheit hat Max Oma alles weihnachtlich dekoriert. Und trotzdem ist es kein gewöhnliches Weihnachtsfest, denn Max Papa ist an Corona erkrankt und hält sich deshalb von Max fern, um ihn nicht anzustecken. „Obwohl ich weiß, dass es damals die richtige Entscheidung war, fühle ich mich um ein letztes Weihnachtsfest mit meinem Sohn betrogen“, sagt Nico Junghans. „Mein Gefühl hat mir damals schon gesagt, dass es das letzte Weihnachten mit Max sein wird.“

Und leider sollte sein Gefühl recht behalten. Die Lebenserwartung von MLD-Patienten liegt bei fünf bis zehn Jahren – Max ist im Mai 2023 nur wenige Monate nach seinem fünften Geburtstag gestorben. „Wir sind froh und dankbar für diese fünf Jahre, die wir mit Max hatten – auch wenn sie uns unwahrscheinlich viel Kraft gekostet haben“, erklärt Max Mama. „Rückblickend würde ich alles wieder so machen, aber nur mit ELISA Familiennachsorge an unserer Seite.“

Alte Traditionen und neue Wege

Dieses Jahr Weihnachten feiern Max Eltern ganz bewusst nur zu zweit. Ein bisschen mulmig ist ihnen schon zumute. Denn in den wenigen, stillen Momenten kommt sie: die Trauer um Max. In der Vorweihnachtszeit wollen sie das Grab von Max weihnachtlich schmücken, Lichterketten aufhängen und den leuchtenden Schneemann, den Max so sehr geliebt hat, in ihrem Garten aufbauen. „Wir versuchen den Blick so gut es geht nach vorne zu richten“, so Max Eltern. „Wir leben weiter, auch für Max.“